Gastbeitrag

Warum Führungskräfte im Finanzwesen größer träumen sollten

Nils Elmark über Banking Disruption

ndgit Serie: Experten sprechen über Banking Disruption

Von Nils Elmark, beratender Futurist, Incepcion Ltd., London

Ich persönlich mag das Wort “Disruption” aber nicht besonders. Warum? Nunja, es ist nichts Positives daran, “disrupted” also gestört zu werden, während man beschäftigt ist. Trotzdem wird das Wort seit 5-6 Jahren mit FinTech Start-ups und deren Auswirkung auf etablierte Banken in Verbindung gebracht. Mehr als eine halbe Million Stellen in Banken sind in Europa bereits weggefallen und der Trend geht weiter.

Nach meinem Verständnis ist der Begriff “Disruption” eine Verkürzung vom Begriff “Creative Disruption”, welcher vom Havard Professor Clayton Christensen geprägt wurde. Er sieht es als einen Mechanismus des Marktes, bei welchem junge Start-ups den Status Quo “stören” und Fehler in etablierten Geschäftsmodellen aufzeigen.

Das ist tatsächlich der Fall. Letztes Jahr hat viele Bänker ein unerwarteter Weckruf erreicht, als die Wirecard plötzlich die Deutsche Bank an der Börse überholte. Viele Bänker außerhalb Deutschlands kannten das Münchner Wunderkind zu dieser Zeit nicht einmal. Jetzt kennen sie alle das großartige Beispiel der “Creative Disruption” durch FinTechs. Heute hat die Wirecard ca. 6.000 Mitarbeiter und kommt auf einen Marktwert von 14 Milliarden Euro während die Deutsche Bank bei 90.000 Mitarbeiter auf einen Wert von 16 Milliarden Euro kommt. Dabei sind die beiden Organisationen mehr oder weniger im selben Geschäftsfeld aktiv: Sie bewegen das Geld anderer. Die Mitarbeiter der Wirecard tun es nur 15 mal effizienter – Dank einer neuen Technologie und eines neuen Geschäftsmodells. Dasselbe Muster sehen wir übrigens auch andernorts wenn wir Barclays und Paypal oder Walmart und Amazon vergleichen.

Das ist “Creative Disruption” auf voller Fahrt. Wie sollen etablierte Banken darauf reagieren? Und Versicherungen? Den Versicherungen ergeht es nicht besser. Auch sie sind durch InsurTech derselben Veränderung ausgesetzt.

Viele Banken haben sich widerwillig auf die Disruptoren eingestellt. Das jedoch wird die Relevanz von etablierten Finanzunternehmen nur schmälern. Wenn Neulinge 10 mal effizienter agieren können, sind Etablierte anders gesagt 10 mal zu groß. Der Ökonom Joseph Schumpeter prägte dafür bereits vor 70 Jahren eine noch deutlichere Bezeichung: “Creative Destruction” – kreative Zerstörung. Er hat die Neulinge nicht als Disruptoren (Störer) sondern als Destruktoren (Zerstörer) bezeichnet, die radikale Innovationen einleiten.

Ich arbeite seit 5 Jahren mit Start-ups und Risikokapitalgebern in London und bin zu folgendem Schluss gelangt: Wollen Top Führungskräfte von etablierten Finanzunternehmen mit kleinen Start-ups und der steigenden Anzahl an Unicorns mithalten, müssen sie ihr Ambitionslevel massiv steigern. Sie müssen größere Träume träumen! Sie müssen die Vergangenheit mit den veralteten Geschäftsmodellen hinter sich lassen und stattdessen die neuen FinTech und InsurTech Werkzeuge als Abenteuer sehen.

Wir müssen in den nächsten 20 Jahren die gesamte industrielle Infrastruktur neu gestalten und brauchen dafür eine um ein Vielfaches schlagkräftigere Finanzindustrie.

Blogger Shortbio

Ich bin beratender Futurist und Gründer von Incepcion in London – eine Beratung, die sich auf Zukunftsperspektiven für FinTechs und Finanzinstitute spezialisiert hat. Ich bin außerdem Keynote Speaker und Kolumnist für eine Reihe von Finanzmagazinen. www.incepcion.co.uk


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