Gastbeitrag

Von analogen zu digitalen Ökosystemen – eine Chance für Gründer und Banken!

Ruth Schöllhammer zum Thema digitale Ökosysteme

ndgit Serie: Experten sprechen über Banking Disruption

Von Ruth Schöllhammer – Vorsitzende des Vorstands Deutscher Gründerverband

Das Geld ist billig, die Zeiten für Gründerinnen und Gründer, die einen Kredit benötigen, sind allerdings schlecht.

Woran liegt das? In manchem Geldinstitut steckt die Digitalisierung noch in sogenannten Silos fest und wird von der ein oder anderen Abteilung eher als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen. Hinzukommen – nicht erst seit der Finanzkrise vor gut zehn Jahren – strenge Compliance und Transparenzregeln, die für Finanzinstitute das Geldverleihen immer aufwendiger machen.

Beim Deutschen Gründerverband haben wir zahlreiche Gespräche mit Gründerinnen, Gründern, Jungunternehmern und Start-ups, aber auch Banken, Versicherungen, Crowd-Finanzierern und Wissenschaftlern geführt und kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Finanzierungsoptionen für junge Unternehmer nicht deutlich gebessert haben.

Das ist schlecht, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für den Standort Deutschland und unsere Volkswirtschaft.

Es reicht nicht, dass jeder zweite schon einmal daran gedacht hat, sich selbstständig zu machen und Start-ups wie Pop-Stars gehandelt werden. Um das Gründungsgeschehen nachhaltig zu verbessern, brauchen Gründerinnen und Gründer Planungssicherheit, Transparenz, schnelle Entscheidungsprozesse bei Finanzpartnern und Verwaltungen, kompetente Begleitung nach der Gründung.

In unseren Analysen von Bank- und Kreditvergabe-Prozessen für Gründerinnen sind wir im Wesentlichen auf folgende Hindernisse gestoßen:

  • Hoher Aufwand bei der Organisation von notwendigen Dokumenten zur Bewertung des Geschäftskonzepts und der Erstellung von Finanzierungsangeboten
  • Geringe Erfahrung bei Gründern und Jungunternehmern in Bezug auf kaufmännische und betriebswirtschaftliche Finanzplanung
  • Fehlende Sicherheiten bzw. niedrige Risikoabwehr zur Sicherung des Ausfallrisikos
  • Fehlende Instrumente zur Bewertung von qualitativen und quantitativen Erfolgsfaktoren von Geschäftskonzepten
  • Geringer Einsatz von Controlling-Instrumenten seitens der Jungunternehmer, um geschäftliche Risiken rechtzeitig zu erkennen und zu managen.

Auch die KfW bestätigt, dass trotz unveränderter Finanz- und Zinssituation der letzten Monate, ebenfalls unverändert…
„junge und kleine Unternehmen deutlich häufiger von Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme betroffen sind als große Unternehmen“ (Quelle: KfW Bankengruppe “Unternehmensbefragung 2018 Kreditzugang”).

Grund der Kreditablehnungen ist einerseits die Konzentration auf historische Daten und nicht auf Erfolgsfaktoren sowie Probleme der Unternehmen ausreichend Sicherheiten zu stellen und diese bewerten zu lassen.

Aufgrund unserer Erfahrung mit Gründerinnen und Gründern, sehen wir folgenden 7-Punkte-Plan zugleich als Weg zur Aufwertung des Standorts Deutschlands sowie auch in eine sichere Bankenzukunft:

  1. Konzentration auf das Kerngeschäft bringt erfolgreiche Neukunden

    Wir sehen in der Digitalisierung der Prozesse und durch die Integration der Finanzierungspartner in ein digitales Ökosystem die größten Chancen, damit Banken ihr Kerngeschäft effizient und erfolgreich betreiben können – und so die Finanzierung von Gründerinnen und Gründern wieder ein erfolgreiches Geschäftsmodell wird.

    Voraussetzung ist eine hohe Standardisierung und Automation der einzelnen Prozesse. So muss geklärt werden, wer braucht wann welche Informationen, um richtige Entscheidungen zu treffen. Alle Prozesse sollten in eine durchgängige IT-Struktur eingebettet sein. Ein sicherer Datenaustausch und die Integration aller beteiligten Partner sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Komplementäre Produkte und Leistungen sollten bei Bedarf durch offene Schnittstellen einfach zu ergänzen sein.

  2. Neuer Standard für Geschäfts- und Finanzplanung sorgt für Transparenz

    Für Banken und Finanzierungspartner von Gründerinnen und Gründern beginnt der Prozess meist mit der Sichtung von eingereichten Businessplänen. Bisher gibt es allerdings keinen Standard. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Bankmitarbeiter die Qualität eines Businessplans unabhängig voneinander teilweise sehr unterschiedlich interpretieren. Dementsprechend unterschiedlich wird auch das persönliche Bankgespräch, das danach folgt.

    Durch einen standardisierten und digitalisierten Prozess können künftige Unternehmerinnen und Unternehmer gemeinsam mit einem kompetenten Berater bzw. Beraterin das Geschäftskonzept entwickeln. In einem umfangreichen Fragebogen wird der Unternehmer nach allen relevanten Aspekten seines Geschäftskonzepts befragt:

    • Geschäftsidee
    • Persönliche Voraussetzungen
    • Detaillierte Kundenbeschreibung
    • Abgeleitete Vertriebskonzepte und Marketingkonzepte
    • Juristische Aspekte
    • Logistische Planung
    • Umsatz- und Finanzplanung

    Die Umsatzplanung basiert auf Standortanalysen und Marktzahlen von externen Anbietern. Herstellungs- und Lieferantenkosten müssen nachweislich belegt werden.

    Begleitet wird dieser Entwicklungsprozess von einem Berater, der die Daten in das System eingibt, um so die Qualitätsanforderungen der Finanzierungspartner zu erfüllen. Der gesamte Prozess ist transparent und revisionssicher für die Gründer sowie für die angeschlossenen Partner nachvollziehbar. Das erhöht die Planungssicherheit und fördert die Effizienz in den folgenden Prozessschritten.

  3. Aussagekräftige Ratings verbessern die Prognosen für Gründer

    Auf Basis der eingegebenen Informationen, die strukturiert vorliegen, ist es nun möglich eine Bewertung des Geschäftskonzepts durchzuführen, die sowohl die qualitativen als auch quantitativen Erfolgsfaktoren berücksichtigt.

    Qualitative Aspekte Quantitative Aspekte (Finanzplanung)
    –        Unternehmensführung
    –        Kundenorientierung
    –        Preispolitik
    –        Organisation
    –        Unternehmenssteuerung
    –        …
    –        Liquidität
    –        Rentabilität
    –        GuV
    –        ….

    Bisher basiert die Bewertung von Geschäftsmodellen nach wie vor überwiegend auf historischen Daten, die Gründer per se nicht vorlegen können. Hinzu kommt, dass die einzelnen Institute unterschiedliche Systeme zur Bewertung von Geschäftskonzepten heranziehen.

    So stuft der Deutsche Sparkassen- und Giroverband DSGV Unternehmen in 15 Gruppen ein, die Genossenschaftsbanken in 16, die Deutschen Bank in 14 und die Commerzbank arbeitet mit mehr als 20 Stufen. Der Bonitätsindex der Auskunftei Creditreform kennt dagegen acht Gruppen, (s. auch „die KMU-Berater“)

    Nach unserer Überzeugung ist das Rating von Gründungs- oder Wachstumskonzepten allein auf historischen Daten für die Bewertung des künftigen Geschäftserfolgs unzureichend. Banken vergeben hier große Chancen, erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer langfristig als Finanzierungspartner zu begleiten.

    Die Berücksichtigung eines „Gründerratings“ ist für die Stärkung des Gründergeschehens deshalb dringend notwendig. Das betrifft ebenso die Bewertung von Wachstumskonzepten, die mit der Historie eines Unternehmens nur bedingt etwas zu tun haben.

  4. Risikoabwehr stärkt Bonität und mindert das Ausfallrisiko

    Die digitale Zusammenführung und Standardisierung der Geschäftsdaten des Gründungsunternehmens führt aber nicht nur zu optimierten Bewertungsprozessen, sondern ermöglicht auch die Digitalisierung von Absicherungsprozessen.

    Die vorliegenden Informationen können in einem weiteren digitalen Prozess von angeschlossenen Versicherungspartnern genutzt werden, um Gründerinnen und Gründern ein auf das Geschäftskonzept angepasstes Risikoabwehrpaket anzubieten, das beispielsweise folgende Faktoren abdeckt:

    • Krankheit
    • Tod
    • Invalidität
    • Restschuld
    • Betriebsunterbrechung
    • Forderungsausfall
    • Haftpflicht

    Das gibt nicht nur den Gründern und seinen Angehörigen Sicherheit, sondern erhöht auch die Bonität der künftigen Unternehmer bei den Finanzierungspartnern.

    Diese Daten und Informationen können innerhalb eines digitalen Ökosystems dem angeschlossenen Bankpartner digital über die Plattform zur Verfügung gestellt werden.

  5. Effiziente Prozesse steigern die Gründungsquote

    Heutzutage ist es noch so, dass Gründerinnen und Gründer bis zu zwei Monate auf ein Finanzierungsangebot warten müssen und – wenn sie Pech haben – eine Absage erhalten. Dann geht die Suche von vorne los. Nicht selten dauert es sechs Monate, bis die Frage der Finanzierung geklärt werden kann. Kaum ein Vermieter, Lieferant und Kunde wartet so lang. So scheitert manche Gründung vorzeitig. Das Umfeld dieser potenziellen Unternehmer wiegt wissend den Kopf und fühlt sich bestätigt:

    „Ich habe doch gleich gesagt, dass das nichts wird …“

    – ein weiterer Grund, der das Gründungsgeschehen in Deutschland eher dämpft als stärkt.

  6. Marktpotenzial der Gründer und SMEs voll ausschöpfen

    Obwohl Kleinst- und Kleinunternehmen in Deutschland eine entscheidende Rolle für die lokale Wirtschaft spielen, werden sie im Gegensatz zu größeren Unternehmen beim Zugang zu Krediten weiterhin von Banken benachteiligt. Eine im April 2019 veröffentliche Studie „The Big Business of Small Business“ zeigt, dass das traditionelle Kreditsystem vor allem den Bedürfnissen von Kleinstunternehmen nicht gerecht wird und diese weiterhin mit entwicklungshemmenden Hürden beim Zugang zu einer Finanzierung zu kämpfen haben. Während mittlere Unternehmen laut Studie über Banken Zugang zu Krediten zu günstigen Konditionen und mit größerer Wahrscheinlichkeit auch im benötigten Umfang erhalten, unterscheiden sich die Erfahrungen kleiner und Kleinstunternehmen davon erheblich. Für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, die laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn gut 97 Prozent der deutschen Unternehmen stellen und für ein Drittel (32%) aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verantwortlich sind, hat sich die Finanzierungslage trotz niedriger Zinsen in den letzten drei Jahren nicht verbessert.
    Neun Prozent der Kleinstunternehmen bezeichnen den Zugang zu Finanzmitteln als ihr dringlichstes Problem.

  7. Digitale Ökosysteme sichern die Zukunftsfähigkeit von Banken

    Neue wirtschaftlich global agierende Märkte verlangen neues Denken. Die Zukunft und Überlebensfähigkeit von Banken werden einerseits von Technologie und Innovation und andererseits von Kundenverhalten und -erwartungen bestimmt. All diese Entwicklungen erfordern nicht nur eine Anpassung vorhandener Prozesse, sondern komplett neue Ansätze, die sich am Markt und den Bedürfnissen der Kunden orientieren.

    Längst setzen Gründer und Unternehmer digitale Ökosysteme wie MyTaxi oder den DB Navigator nicht nur für den privaten Gebrauch ein. Sie erwarten, dass auch unternehmerische Prozesse und Beratung ähnlich wie das Online-Banking digital ablaufen. Gefragt sind unabhängige, transparente Verfahren zur Vergabe von Krediten, unabhängig von historischen Daten und subjektiven Einschätzungen von Bankberatern vor Ort.

    Einen großen Schritt in diese Richtung können Banken mit dem digitalen Ökosystem smartaxxess gehen. Dieses System integriert alle Partner von Gründern und Unternehmern, Berater, Versicherungs- und Finanzierungspartner – ein Konzept mit Zukunft.

    Ökosysteme wie dieses können auch Sie als Bank einrichten. ndgit ist Ihnen dabei als technologisches Rückgrat gerne behilflich.


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